Martin Hochreiter, Leiter des Notfall- und Krisenmanagements FH St. Pölten, Leiter der „Arbeitsgruppe Notfallmanagement/Krisenmanagement an Österreichischen Hochschulen“ und Bezirksrettungskommandant beim Österreichischen Roten Kreuz berichtet im Rahmen des D-A-CH SiFo über seine Erfahrungen mit dem COVID-19 Krisenmanagement und den daraus resultierenden Konsequenzen:
Hinsichtlich der Vorbereitung auf eine Krise wie die Coronapandemie zeigte sich, die Zivilgesellschaft nicht lange durchhalten würde, wenn es um Selbstschutz bzw. Eigenvorsorge geht. Seitens der Unternehmen haben 45 % ein Krisenteam eingerichtet. Seitens der Regierung konnte man im BMI die im SKKM während der der Migrationswelle 2015 aufgebauten Strukturen gut nutzen.
Die Pandemiepläne aus der Vogelgrippe-Zeit beruhten auf anderen Annahmen und waren weitgehend nutzlos. Eine Früherkennung/Vorbereitung wäre allerdings grundsätzlich möglich gewesen, verwies Hochreiter etwa auf die Unterrichtung durch die Bundesregierung zum Bevölkerungsschutz aus 2011 in Deutschland.
Für die Situation im März 2020 kann man durchaus von einer Krise (aber nicht von einer Katastrophe) sprechen, denn das Ereignis war selten, unerwartet, bedrohend, dynamisch und unberechenbar. Als Engpass stellten sich Anfang 2020 etwa das Personal im Gesundheitswesen heraus, Masken, Desinfektionsmittel und Hygieneausstattung sowie IT-Ausstattung waren plötzlich „kritische Infrastruktur“, bei Handelsunternehmen auch Logistikkapazität.
Als „common mistakes“ in Unternehmen nannte er: Keine Krisenteams definiert, unklare Zuständigkeiten / Rollenabtrennung in Krisenteams, ein fehlendes gemeinsames Modell von Problem & Auftrag, die Unterdimensionierung der Teams oder „one (wo)man show“, die fehlende Erfahrung in Krisenteamarbeit, unzureichende Lagebeurteilung („was heißt das für uns?“), ein fehlender globaler Blick (Inseldenken) und fehlende Informationshoheit. Schwerpunktbildung vs. „Brände löschen“ stehen in der Krisenarbeit im Spannungsfeld, fehlendes Informationsmanagement führt zu Informationsmangel.
In der aktuellen Phase (Anm: rapide ansteigende Corona-Fallzahlen in Österreich im November 2021) riet Hochreiter den Gästen dazu, eine resiliente Arbeitsweise aufzubauen zu ermöglichen, die auch unter Lockdown-Bedingungen funktioniert. Vorbereiten kann man sich weiters mit Erstellung möglicher Szenarien (auch einem für einen „Blindflug“ mit großen Löchern in der Informationslage), außerdem gilt es Informationsabhängigkeiten von Partnern evaluieren und Netzwerke zu fördern.
Für die Kommunikation mit Mitarbeiter*innen empfiehlt er klare, einfache Regelungen, Mehrsprachigkeit mitdenken, nicht zu viele Kanäle bedienen, und die Informationshoheit zu behalten. Dazu muss man Krisenkommunikation lernen und die internen Kanäle kennen. Hinsichtlich der Mediennutzung sind auch die Gewohnheiten der jüngeren Generationen zu bedenken.
Krisenteams sind nach seiner Erfahrung erst nach mehreren Übungssimulationen einsatzfähig, das erste Mal ist eher ein Kennenlernen. Ein M al pro Jahr sollte in Organisationen eine professionell begleitete Krisensimulation abgehalten werden.